In der Stille des Morgenlichts offenbart sich eines der größten Wunder der Welt. Während das erste Sonnenlicht die rosafarbenen Sandsteinfelsen von Petra berührt, versteht man, warum der Archäologe Johann Ludwig Burckhardt 1812 sprachlos war, als er die verlorene Stadt entdeckte. „Mit jedem Schritt durch die enge Schlucht des Siq wächst die Spannung, bis plötzlich – wie durch Magie – die Schatzkammer vor einem steht“, erzählt Reiseführer Hassan Alfaraj.
Das eindrucksvolle Erbe eines vergessenen Handelsimperiums
Die Nabatäer schufen vor über 2.000 Jahren ein beeindruckendes Handelszentrum, das zum Knotenpunkt der antiken Weihrauchstraße wurde. Das architektonische Können dieser arabischen Nomaden zeigt sich in über 800 monumentalen Bauwerken, die direkt aus dem rosa Sandstein gemeißelt wurden. Besonders in den Monaten März bis Mai und September bis November, wenn milde Temperaturen herrschen, entfaltet Petra seinen vollen Zauber.
Die Siq – ein 1,2 Kilometer langer Weg ins Wunderland
Der Weg zur eigentlichen Stadt führt durch die Siq, eine schmale, gewundene Schlucht mit bis zu 80 Meter hohen Felswänden. Diese natürliche Einfahrt schützte einst die Stadt vor Feinden und sorgt heute für einen dramatischen ersten Eindruck. „Wenn sich die Felsspalte öffnet und man erstmals auf Al-Khazneh blickt, ist das ein Moment, den man nie vergisst“, bestätigt Kulturjournalistin Sophia Weber.
Al-Khazneh – die legendäre Schatzkammer
Das berühmteste Bauwerk Petras, die 40 Meter hohe Schatzkammer, wurde nicht etwa als Tempel oder Königsgrab erbaut. „Tatsächlich diente die imposante Fassade wahrscheinlich als Grabmal für König Aretas IV.“, erklärt Dr. Mohammed Ibrahim, Archäologe an der Universität Amman. Die Detailgenauigkeit der Säulen, Figuren und Ornamente zeugt vom hochentwickelten Handwerk der Nabatäer.
Versteckte Pfade, die nur echte Abenteurer kennen
Abseits der Hauptroute offenbart Petra seine wahren Schätze. Der anspruchsvolle Aufstieg zum Kloster Ad Deir belohnt mit atemberaubenden Ausblicken auf das Wadi Araba. Eine lokale Legende besagt, dass im Vollmond im Dezember verborgene Kammern unter dem Kloster sichtbar werden. Noch unbekannter ist die Wanderung zum Wadi Himara Wasserfall, ein erfrischendes Naturwunder inmitten der kargen Landschaft.
Anreise: Von Deutschland in die Vergangenheit
Die bequemste Route führt über Direktflüge nach Amman mit Royal Jordanian oder Lufthansa, ab 400€ für Hin- und Rückflug. Von dort sind es etwa drei Autostunden nach Petra. Viele Reisende kombinieren ihren Besuch mit einem Abstecher nach Dubai als modernes Wüstenziel – ein faszinierender Kontrast zwischen antiker und futuristischer Architektur.
Die magischen Nächte Petras
„Petra by Night ist eine Erfahrung, die die Seele berührt“, schwärmt der deutsche Fotograf Michael Bauer. Dreimal wöchentlich wird der Weg zur Schatzkammer mit Tausenden von Kerzen beleuchtet, während beduinische Musik durch die Schlucht hallt. Dieser Anblick verändert die Wahrnehmung der alten Stadt vollkommen und offenbart eine mystische Dimension, die tagsüber verborgen bleibt.
Jordanische Gastfreundschaft und kulinarische Entdeckungen
In den Restaurants von Wadi Musa, dem modernen Ort neben Petra, sollte man unbedingt Mansaf probieren – das Nationalgericht aus Lamm, Reis und Joghurtsauce. Für authentische Erlebnisse empfiehlt sich ein traditionelles Abendessen in einem Beduinenzelt mit Zarb, einem unterirdisch gegarten Festmahl. Die meisten Besucher sind überrascht vom exzellenten jordanischen Wein, dessen Tradition bis zu den Nabatäern zurückreicht.
Nicht nur Steine: Die lebendige Kultur der Beduinen
Die Nachfahren der ursprünglichen Bewohner Petras, die Bdoul-Beduinen, teilen gerne ihre Kultur mit Besuchern. Eine Tasse süßer Minztee in einem der Höhlencafés bietet die perfekte Gelegenheit, ihre faszinierenden Geschichten zu hören. Viele bieten handgefertigten Schmuck und Sandflaschen-Kunst an – authentische Souvenirs mit persönlicher Geschichte.
Naturwunder jenseits der Felsen
Petra ist der perfekte Ausgangspunkt für Ausflüge zu anderen faszinierenden Naturphänomenen. Die rötliche Wüstenlandschaft des Wadi Rum, nur 90 Minuten entfernt, bietet einen spektakulären Kontrast zur UNESCO-Fjordlandschaft Norwegens. Eine Jeep-Safari durch diese „Mondlandschaft“ gefolgt von einer Nacht unter dem Sternenhimmel ist ein unvergessliches Erlebnis.
Wer Petra besucht, kehrt nicht als derselbe Mensch zurück. Die Begegnung mit dieser in Stein gemeißelten Zivilisation, die über zwei Jahrtausende überdauert hat, verändert die Perspektive auf unsere eigene flüchtige Zeit. Wie die Moskauer Kreml mit seinen historischen Zeugnissen, bewahrt dieses rosarote Wunder Geschichten, die uns daran erinnern, dass wahre Größe die Zeit überdauert.